Paris Fashion Week: Willkommen im Chanel-Supermarkt
MAGAZIN DIE DIETRICH 20.August 2016 – by Anuschka Wienerl
Der Chanel A/W 14 Supermarkt // Konsumkritik & wie der Modeknüngel König Karl auf den Leim ging.
Egal, ob Karussells oder Kunstgalerien – Karl Lagerfeld schickt seine Models gerne über ungewöhnliche Laufstege. Diesmal ging es mit Chanel in den Supermarkt. Cool-bunte Klassiker zwischen Einkaufswägen!
Der Chanel-Catwalk wurde von Chanel-Kreativ-Direktor Karl Lagerfeld im Namen seines Pariser Fashion Week-Schaufensters umgestaltet, mit Cara und dem neuen Liebling der Fashionwelt Kendall Jenner – der Halbschwester von Kim Kardashian .
Paris – Regale mit Flaschen, Regale mit Konservendosen – und dazwischen Models: Bei der Fashion Week in Paris ließ Karl Lagerfeld das Ambiente für die Herbst- und Winterkollektion von Chanel auf Alltag trimmen. So wurde aus dem Grand Palais ein riesiger Supermarkt.
„Beim letzten Mal haben wir eine Kunstgalerie gemacht, was ein Supermarkt für die Reichen ist“, sagte Lagerfeld. „Dieses Mal haben wir einen echten Supermarkt gemacht.“ Das Alltägliche solle sich im Luxus spiegeln. „Wenn Sie sehr teure Dinge tragen und dabei sagen: ‚Schaut, wie teuer das ist‘, dann sind Sie vulgär. Alles muss getragen werden, als wäre es eine Jeans für 100 Euro – sonst ist es nicht elegant.“
Zum Supermarkt-Nachbau konnte Lagerfeld selbst indes nicht viel beitragen. Er gehe nicht in Supermärkte, räumte der Modeschöpfer ein. „Ich habe viele Kollektionen, also gehen andere für mich hin.“
In Karls wunderbarer Einkaufswelt gab es zum Beispiel eine Bauabteilung, die Chanel-Fußmatten und -Staubwedel anbot, Gemüsestände, Kekse, Bonbons, Kaffee und Coco-Cookies – eine nur mittelmäßig subtile Anspielung auf Coco Chanel. Die Musik wurde immer wieder durch Supermarktdurchsagen unterbrochen: „Die kleine Marine möchte an der Kasse abgeholt werden.“
Die Models trugen Taschen, die Einkaufskörben glichen. Manche waren auch mit einem normalerweise wenig glamourösen Utensil unterwegs: dem Einkaufsroller, gerne auch als „Hackenporsche“ tituliert.
Am Ende holte der Konsumwahn die Macher der Schau ein – allerdings wohl ungeplant: Journalisten, Blogger, Einkäufer und auch ein paar der Promi-Gäste verließen ihre Plätze, um die Regale leerzuräumen. Meist vergeblich, da die Ordner die ergatterten Teile wieder einsammelten.
Hach, Alfons. Herr Kaiser ist unser offizieller Held des Tages, denn der FAZ-Redakteur katapultiert uns mit seinen präzisen Worten zur Paris Fashion Week geradewegs in den gestern eröffneten Chanel Supermarkt. König Karl hatte sich für die Präsentation seiner Herbstkollektion nämlich ein Defilee der Supermarktkasse Sonderklasse ausgedacht und seine Models ausnahmsweise nicht über einen Laufsteg, sondern durch ein Labyrinth aus 100.000 Alltags-Produkten wie Kreissägen, Eierpaletten und Milchtüten gescheucht.
Die Vorstellung, dass Monsieur Lagerfeld als bekennender Groß-Kapitalist öffentlich Kritik am hemmungslosen Konsumverhalten unserer Zeit liefert, ist zwar grotesk, aber mindestens genau so genial – Denn er musste nicht einmal selbst etwas dazu tun.
„Die Moderedakteurinnen offenbaren ihre niederen Triebe im hemmungslosen Wettlauf um Fußmatten und Staubfeudel schon selbst“, beschreibt Alfons Kaiser das Spektakel spitzzüngig, aber offenbar wahrheitsgetreu.
Dennnachdem das letzte Model wieder im Backstage-Bereich verschwunden war, machte sich die tollwütige Mode-Elite über Delikatessen wie Coco Cookies oder Lait Coco her wie Kojoten über einen noch warmen Kadaver.
Sabbernd und geradezu im Wahn, kurz davor, eine Massenschlägerei anzuzetteln. Willkommen im wahren Leben und danke Karl, für das bitterböse Vorhalten des so gefürchteten Spiegels unserer Gesellschaft.
(Photo by Francois Durand/Getty Images)
REUTERS/Stephane Mahe (FRANCE – Tags: FASHION)
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